Zum Augsburg Journal Reporter Beitrag „Zehn Macherinnen zum Weltfrauentag“
„Weltfrauentag? Haben wir das ganze Jahr!“ schreibt die kostenlose Zeitung „Augsburg Journal Reporter“. Die Begründung dieser These: Augsburg sei die bayerische Stadt mit den meisten weiblichen Spitzenkräften.
Dieser Einstieg suggeriert, dass nur am Weltfrauentag, Frauen das Sagen haben. Der Weltfrauentag oder, wie wir ihn nennen, der Feministische Kampftag ist nicht dazu da, ein einzelnes Blitzlicht auf die Leistungen von Frauen zu werfen. Sonst wäre er nur Symboltag ohne Einfluss.
Top Ten Frauen: weiß, privilegiert, leistungsbereit
Aber weiter im Text: Wer sind die Top Ten zum Frauentag? Weiße Frauen in einflussreichen Positionen, die den Lesenden Tipps geben wie „Machen! Wirklich, es ist dieses einfach machen!“ und „Gebt nicht auf, ihr müsst stets einmal mehr aufstehen als hinfallen.“ Diese neoliberale, protestantische Geschichte von der lohnenden Leistung – zum Kotzen. Unter den „Macherinnen an der Macht“ ist neben der Oberbürgermeisterin, der Universitätspräsidentin und einer Vorstandsvorsitzenden der Stadtsparkasse auch Susanne Wiegand, CEO der Renk Group, die in der Titelgeschichte als Heldin der Rüstungsindustie gefeiert wird.
CEO eines führenden Rüstungsunternehmens – natürlich nicht in High Heels
Ihr Porträt als Führungskraft kommt natürlich nicht ohne sexistische Klischees aus: Nach der Schilderung ihrer Frisur und ihrer Kleidung folgen die Schuhe: „Dazu flache Schuhe natürlich. Denn Wiegand ist eine der wichtigsten deutschen Rüstungs-Managerinnen. Dazu passen keine High Heels“. Als ob weibliche CEOs natürlich in High Heels unterwegs wären – sind sie doch das einzig wahre Zeichen weiblicher Macht.
Der Artikel besteht aus verschiedenen Zitaten, die die CEO anderen Medien gegeben hat, unter anderem „Manchmal bin ich die einzige Frau in Besprechungsrunden. Das ist ein Privileg.“ Diese Form des Journalismus ist dazu prädestiniert, Aussagen aus ihrem Zusammenhang zu reißen und ein unklares Bild einer Person zu hinterlassen: Was ist ein Privileg? Dass sie als Frau an den Verhandlungstisch gelassen wird? Als Auszeichnung für ihren Fleiß bzw. ihre Leistung? Dass sie in ihrer Art den männlichen Verhandlungspartnern gleicht?
Problematisch ist außerdem, dass der Artikel Wiegand als Prophetin des gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses feiert: Seit Mai 2021 setzte sie als CEO bei Renk angeblich konsequent auf den Ausbau der Rüstungssparte „und lag damit richtig“. Denn der russische Einmarsch in die Ukraine veränderte laut Augsburg Journal Reporter das Image der Rüstungsindustrie: „Die Rüstung, das war eben immer die böse Ecke der deutschen Industrie“. Und zitiert wieder Wiegand: „Das ist seit Februar 2022 anders: Auf einmal sind wir notwendig geworden.“
Wir kritisieren
- den fehlenden Kommentar zur Auswahl von ausschließlich weißen, privilegierten Frauen
- die unreflektierte Erzählung des „Einfach machens“ als Schlüssel für Erfolg als Frau bzw. Erfolg in dieser Gesellschaft
- die Stilisierung von erfolgreicher Weiblichkeit ausschließlich im Zusammenhang mit Macht und Profit.
- das Loblied auf „den richtigen Riecher“, um mit Krieg Geld zu verdienen, während in Krisengebieten die Fälle von geschlechtspezifischer Gewalt wie Vergewaltigungen explodieren.