Putzen, waschen, sauber machen, das sind alles Tätigkeiten, die als Care- oder Sorgearbeiten bezeichnet werden können. Putzt du immer selbst?
Nein, ich putze nicht immer selbst, manchmal habe ich keine Lust, dann putz ich gar nicht.
Und manchmal, wenn ich keine Lust habe, krank bin oder viele andere Sachen zu tun habe, dann sage ich das, und dann übernimmt schon mal jemand das Putzen für mich. Das ist gut. Und genau so können mich andere fragen, ob ich mal für sie putze. Das mache ich dann auch.
Putzen ist ja wichtig und passiert meistens im Hintergrund, als ob es was Schlechtes wäre. Und ja, es ist eine Sorgetätigkeit ohne die vieles anders nicht so gut funktionieren würde. „Das bisschen Haushalt, ist doch kein Problem, sagt mein Mann“, heißt eine Liedzeile aus einem Schlager von früher. Das kann nur jemand denken, der von Haushalt keine Ahnung hat und es nicht selbst machen muss und nach dem Feierabend nach Hause kommt und dann ist der Arbeitstag gelaufen. Haushalt hört ja irgendwie nie auf. Wäsche waschen ist so ein Beispiel, es gibt in der Woche gefühlt nur fünf Minuten, in denen der Wäschekorb leer ist. Dann geht‘s von vorne los. Zugegebenermaßen ist das in der Tradition der politischen Linken ja auch oft an den Rand gedrängt worden; oft hieß es dann, die Geschlechterfrage und die damit verbundene Arbeitsteilung sei nur ein Nebenwiderspruch.
Manchmal denke ich, so viel hat sich im Vergleich zu früher nicht geändert. Wir schlagen ja vor, dass sich alle nach ihren Fähigkeiten am Haushalt beteiligen. Und sich dumm stellen gilt nicht.
Kürzlich hat jemand die Frage aufgeworfen: Wer macht den Dreck und wer macht die Wäsche? Diese Frage sollte man sich häufiger stellen. Putzen ist politisch!
Welchen Stellenwert hat Putzen in Deinem Leben?
Boah, immer mehr. Ich bin ja auch antifaschistischer Hygiene-Content-Creater, daher lerne ich immer mehr über das Putzen. Und wenn man darüber nachdenkt, kommt man ja auch auf andere Zusammenhänge. Darüber haben wir gerade eben gesprochen. Aber die konkrete Tätigkeit, also das Putzen im eigenen Haushalt, das hat kaum zugenommen. Das habe ich vorher auch schon gemacht. Falls das nicht stimmt, sollte man mich darauf hinweisen. Ich will sagen, also ich glaube, dass ich mich nach meinen Fähigkeiten gerecht am Haushalt beteiligt habe. Aber so genau, weiß man das nicht. Deshalb ist es wichtig, dass man in den Gemeinschaften, in denen man ja hoffentlich lebt, darüber spricht. Für Alleinlebende stellt sich die Frage ja anders. Aber nicht nur Alleinlebende stellen sich ja immer wieder mal Putzkräfte an, meistens Frauen, meistens nicht angemeldet. Das ist ja dann auch wieder so ein „Unsichtbarmachen“ von Hausarbeit. Sieht immer alles picobello aus, aber derjenige der den Dreckt macht, macht auch hier nicht die Wäsche.
Ist Sauber machen für dich Arbeit?
Oh ja! Es fühlt sich auf jedenfalls wie Arbeit an. Und Arbeit nervt oft. Aber muss ja auch gemacht werden. Manchmal ist es aber eigentlich auch ganz cool, wenn man es zusammen macht und einander hilft. Und danach fühlt man sich auch wohler zusammen, weil man dann saubere Räume hat und wenn sie dann sauber sind, diese Räume, kann man ja die lebensnotwendige Unordnung gemeinsam wieder herstellen.
Man sagt, Wäsche waschen und Fenster putzen ist Frauensache. Was denkst du darüber?
Sagen das immer noch Leute? Es ist ja wie gesagt, nicht zu glauben. Aber was soll man denn auch erwarten. Alle Nase lang wird irgendein biologistischer Unsinn verzapft. Dass Frauen dies besser oder das schlechter können und bei Männern wäre das andersrum. Herrje. Da könnte man fast verzweifeln. Seit kurzem mache ich mir Gedanken über eine These der Soziologin und Genderforscherin Franziska Schutzbach. Sie hat in etwa gesagt, die weit verbreitete Frauenverachtung und der Antifeminismus sind die Einfallstore für Faschismus, Rassismus, Antisemitismus in die Gesellschaft. Das hat sich ja jetzt gerade wieder in besonders grausamer Weise bei dem Hanauer Rechtsterroristen gezeigt, der zehn Menschen umgebracht hat und in seinen Pamphleten mit frauenfeindlichen und rassistischen Thesen um sich wirft. Im traditionellen Bild der Frau sind sich Sexisten unabhängig von jeder anderen Weltanschauung dann halt doch einig. Unsere Haltung heißt kurz und knapp: Es gibt keine Frauensachen und die Ansicht ist grundverkehrt!
Dein Laden „Die Seiferei“, warum selbstverwaltet und solidarisch?
Selbstverwaltung und Solidarität bedeutet konkret zum einen, dass wir keine Gewinninteressen verfolgen, sondern derzeit das Projekt Vio.Me in Thessaloniki unterstützen wollen. Vio.Me haben in einer Wirtschaftskrise die Produktionsmittel übernommen und einen Betrieb geschaffen, in dem alle Abläufe basisdemokratisch organisiert sind, in dem alle Beteiligten den gleichen Lohn bekommen und damit ihr Überleben sichern. Sie schauen dabei nicht nur auf sich, sondern beziehen den Stadtteil mit ein. Das ist solidarisch und das wollen wir unterstützen. Zum anderen versuchen wir aber natürlich auch in unserem eigenen Laden basisdemokratische, egalitäre Selbstverwaltungsstrukturen zu gewährleisten.
Und die Seifenfabrik in Griechenland? Warum sollte man gerade diese Seife kaufen?
Wie schon gesagt, die Fabrik in Thessaloniki ist in vielerlei Hinsicht vorbildlich und kann als Inspirationspotenzial für andere dienen. Das gilt in vielen Bereichen: zunächst einmal ist der Betrieb eben intern basisdemokratisch organisiert. Alle haben das gleiche Mitspracherecht in allen betriebsbezogenen Fragen, alle verdienen dasselbe und alle übernehmen nach dem Rotationsprinzip alle Aufgaben. Hervorgehobene Stellen wie den*die Pressesprecher*in wählt die Belegschaft auf Zeit. Außerdem wird bei den Produkten auf ökologische Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit gesetzt. Alle Seifen und Reinigungsmittel sind bio-vegan, auf Tierversuche wird komplett verzichtet. Seit Februar verzichten sie bei der Herstellung aller Produkte auch komplett auf Palmkernöl, was bisher noch ein gewisses Problem darstellte. Klar, der Transportweg wirkt erstmal lang, aber auch die ‚deutschen‘ Seifenproduzent*innen bekommen ihre Öle ja nicht von hier. Der Fahrtweg ist somit mehr oder weniger immer derselbe. Außerdem ist noch erwähnenswert, dass Vio.Me in ein vitales Gewebe genossenschaftlicher und nachbarschaftlicher Strukturen eingebunden, sodass auch über den Standort Thessaloniki hinaus ein Netzwerk solidarischen Wirtschaftens gesponnen wird. Kurzum: Vio.Me ist ein Fels in der Brandung des Neoliberalismus. Und auf diesem Fels steht ein Leuchtturm, der weit in die Welt hinaus strahlt, dass ein anderes Leben und Wirtschaften möglich und machbar ist.
Auf der Webseite der Seiferei steht „wir [verstehen] die Seiferei als Beitrag zu einer solidarischen Ökonomie, die sich ökologischer Nachhaltigkeit und gesellschaftlichem Zusammenhalt und Emanzipation verpflichtet“. Was genau verstehst du unter solidarischer Ökonomie und welchen Stellenwert hat Sorge- und Reproduktionsarbeit für diese Art des Wirtschaftes?
Puh, das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Es zirkulieren ja so viele Definitionen von Solidarischer Ökonomie, die alle verschiedene Akzente setzen. Das ist ja wahrscheinlich auch gut so und lässt sich vielleicht gar nicht vermeiden. Weder wir noch sonst jemand kann zum jetzigen Zeitpunkt so richtig wissen, was das eigentlich ist, diese ‚solidarische Ökonomie‘. Wir leben in einer durch und durch kapitalistischen Gesellschaft, die auch unser Denken und Handeln zutiefst durchdringt und einengt. Insofern ist es auch schwer, das ganz andere, die ganz andere Wirtschafts- oder eben sogar Lebensform zu denken. Solidarische Ökonomie ist insofern gegenwärtig vermutlich immer nur als experimentelles Erproben zu haben. In den Nischen und Rissen der kapitalistischen Gesellschaft können andere Arten des Wirtschaftens praktisch erprobt werden – Rückschläge und Verirrungen inklusive. Genau das wollen wir ja auch mit der Seiferei tun und viele andere Menschen tun das an vielen anderen Orten der Welt ebenfalls. Aus diesen vielen Experimenten kann man dann vielleicht etwas lernen, sehen, was klappt und was nicht klappt. Ein übergreifendes Patentrezept Solidarische Ökonomie gibt es unseres Erachtens also (noch) nicht und auch ich habe keine absolut feststehende Meinung dazu. Die zapatistischen Kämpfer*innen in Mexiko haben einen schönen Slogan, der uns auch mit Bezug auf diese Frage gut gefällt: Preguntando caminamos, auf Deutsch: Fragend schreiten wir voran.
Aber gut, ihr habt uns ja gefragt, was wir momentan darunter verstehen und insofern können wir uns nicht so einfach mit Verweis auf Definitionsstreitigkeiten raus reden. Ich hab mir bei einem Vortrag mal zwei Zitate aufgeschrieben, die glaube ich für alle Menschen im Kontext der Seiferei als eine Art Basis-Leitplanken für unsere Wunschvorstellung solidarischer Ökonomie gelten können. Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie noch exakt hinbekomme, aber das eine ging ungefähr so: „Jedem Menschen nach seinen Fähigkeiten, jedem Menschen nach seinen Bedürfnissen“. Das andere war komplizierter, ging aber glaube ich so: „In einer solidarischen Welt sind alle Verhältnisse umgeworfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes und/oder ein verächtliches Wesen ist.“ Das fand ich unmittelbar einleuchtend und dagegen kann ja eigentlich niemand was haben, oder? Alles andere wäre eigentlich fürchterlicher Unfug. Nach diesen Maßstäben müssten wir also unser Miteinander ausrichten und so stellen wir uns ganz grundsätzlich dann auch die solidarische Ökonomie vor. Sorge- und Reproduktionsarbeit hat darin denselben Stellenwert wie andere Tätigkeiten, die dem gemeinschaftlichen Wohlergehen dienlich sind, wäre entsprechend gleich zu wertschätzen und von allen gleichermaßen zu bewältigen. Die Philosophin und Soziologin Frigga Haug hat dazu mit ihrer sogenannten Vier-in-Einem-Perspektive ein interessantes Modell vorgelegt. Das kann ich jetzt gar nicht auf die Schnelle darlegen, aber man findet dazu im Internet oder im Buchhandel recht einfach was.
Vielen Dank für das Interview!
Mehr Infos über Seyfi Meyer und Die Seiferei findet ihr unter: https://seiferei.noblogs.org/